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Schweizer Krankenkassen mit Billig-Prämien von Ansturm überfordert

Kleinere und mittlere Krankenversicherungen in der Schweiz haben aufgrund ihrer niedrigen Prämien viele neue Kunden gewonnen. Ein Grund für diesen Ansturm ist die starke Prämienerhöhung bei den meisten Schweizer Krankenkassen Anfang 2023. Allein die Helsana verzeichnet einen Verlust von 84'000 Kunden an billige Krankenkassen. Der Zuwachs bei der KPT liegt bei 180'000 Neukunden. Bei den billigen Krankenkassen ist jedoch nicht mit einem nachhaltigen Wachstum zu rechnen.

KPT verzeichnet grössten Kundenzuwachs

Im letzten Jahr sind die Krankenkassenprämien im Schnitt um 6,6 Prozent gestiegen. Die kleineren und mittleren Krankenkassen boten in der Grundversicherung 2023 sehr niedrige Prämien an, was zu einem Ansturm an Kunden führte. Die grösseren Krankenkassen mussten massive Abgänge verzeichnen. In der Grundversicherung verlor die Helsana-Gruppe im letzten Jahr netto 84'000 Kunden. Als eine der grössten Schweizer Krankenkassen hatte sie Anfang 2023 ungefähr 2,2 Millionen Kunden.

Abgänge verzeichnete auch die CSS. Die Swica hat hingegen ungefähr 25'000 neue Kunden gewonnen und hat jetzt etwa 880'000 Kunden.

Von der Helsana haben wahrscheinlich viele Kunden zur KPT gewechselt. Bei den Erwachsenen über 26 Jahren liegt sie in 13 Regionen an der Spitze. Sie verzeichnet ein Wachstum von 357'000 auf 540'000 Kunden. Die meisten Neuzugänge kommen von Helsana, aber auch von Assura und Atupri.

Die niedrigen Prämien basieren nicht auf einer Wachstumsstrategie der KPT. CEO Thomas Harnischberg war sich nicht bewusst, dass die Prämien der KPT deutlich niedriger als bei den Mitbewerbern sind. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) informierte die Krankenkasse nicht über die niedrigen Prämien.

Hohe Verluste bei Helsana

Für das vergangene Geschäftsjahr verzeichnet die Helsana einen Verlust von 524 Millionen Franken. Höhere Leistungskosten in der Grundversicherung beruhen auf Nachholeffekten nach der Corona-Pandemie und teureren Medikamenten. Inflation, Energiekrise und steigende Zinsen führten im letzten Jahr bei den Kapitalanlagen zu einem Minus von 10,8 Prozent.

Diese Entwicklung ist in der Prämienerhöhung begründet, die deutlich höher als bei anderen Krankenkassen ausfiel. Die Krankenkasse wollte damit eine hohe Solvenz erzielen. Im nächsten Jahr könnten wieder niedrigere Prämien möglich sein, sodass die Helsana wieder einen Kundenzuwachs verzeichnen könnte.

Mehrfach problematische Wechselbewegungen

Für die mittleren und kleineren Krankenkassen sind solche Wechselwirkungen auf verschiedene Weise problematisch, denn der Kundenzuwachs ist mit mehr Service-Anfragen und Rechnungen verbunden. Die Krankenversicherer müssen zusätzlich Personal rekrutieren, um das zu bewältigen. Einige solcher neuen Stellen sind nur befristet.

Die Personalrekrutierung ist schwierig, da eine Anstellung keine Perspektive verspricht, wenn die Krankenversicherung kein nachhaltiges Wachstum verzeichnet. Viele preisbewusste Kunden könnten schon im nächsten Jahr wieder zu einer anderen Krankenkasse wechseln.

Die Überlastung des Kundendienstes bei den Krankenkassen führt auch zu Einschnitten bei der Qualität. Kunden müssen längere Wartezeiten in Kauf nehmen, wenn sie den Service per Telefon oder E-Mail kontaktieren. Die längeren Wartezeiten könnten für Neukunden ebenso wie für Bestandskunden zum Problem werden. Die KPT hat ihre Kunden per Brief über die längeren Wartezeiten und deren Gründe informiert.

Das Gesetz schreibt vor, dass jede Krankenkasse zur Absicherung der Versicherten im Konkursfall der Krankenkasse Reserven bilden muss. Bei den grossen Krankenkassen sind zumeist genügend Reserven vorhanden, doch können die kleineren und mittleren Versicherer nicht so einfach Reserven bilden. Können diese Krankenkassen keine ausreichenden Reserven aufbauen, können sie vom Bundesamt für Gesundheit zu einer Prämienerhöhung im laufenden Jahr aufgefordert werden. Wie die KPT angibt, verfügt sie über genug Reserven. Auch andere kleinere Versicherer wiesen in der Vergangenheit eine hohe Solvenzquote auf. Die Quoten sind jedoch aufgrund des politischen Drucks zum Abbau der Reserven 2021 bei den meisten Krankenkassen zurückgegangen.

Wie sinnvoll ist eine Konsolidierung?

In der Vergangenheit mussten viele Krankenkassen mit einem überproportionalen Wachstum in den Folgejahren die Prämien erhöhen. Andere Kassen müssen wettbewerbsfähigere Prämien anbieten, um Kunden zurückzugewinnen. Diese Entwicklung führt zu einem Jojo-Effekt.

Die grosse Zahl an Krankenkassen mit gegenwärtig ungefähr 50 Anbietern für die Grundversicherung stellt ein Problem in der Branche dar. Seit einiger Zeit wird über einen Konzentrationsprozess spekuliert. Da es sich bei vielen Eignern von Krankenversicherungen um Stiftungen handelt, ist ein Konzentrationsprozess kaum möglich.

Transaktionen werden dadurch komplexer. Grosse und führende Krankenkassen haben Käuferinteresse. Es könnte zu einer Konsolidierung kommen. Für die kleineren und mittleren Krankenkassen könnte die Sicherung von Solvenz und Kosteneffizienz sowie die Investition in Digitalisierung schwierig werden.

Quelle:
https://www.nzz.ch/finanzen/private-finanzen/jo-jo-effekt-bei-den-krankenkassen-mittelfristig-duerften-den-versicherten-bei-guenstigen-kassen-hoehere-praemien-drohen-ld.1727473

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